Nicht nur in Nigeria leidet die Bevölkerung unter der Gewalt von Boko Haram. Auch im benachbarten Nordkamerun fasst die Terrorgruppe Fuß und verübt regelmäßig Anschläge. Doch was sind die Ursachen für ihre Entstehung? Und wie kann der Kampf gegen Boko Haram gewonnen werden? Zur Diskussion dieser Fragen lud die Heinrich Böll Stiftung NRW am 12.9. 2016 Interessierte sowie als Gast und Experten Andreas Kahler in die Geschäftsstelle der Landesstiftung ein.
Andreas Kahler lebt und arbeitet als Organisationsberater des Zivilen Friedensdienstes in Jaundé, der Hauptstadt Kameruns. Zum Auftakt des Feierabend-Talks gab er eine einführende Präsentation über die Entwicklung Boko Harams in Kamerun. Im Gegensatz zu Nigeria, wo sich die Terrorvereinigung schon seit 2002 verortet, wurde die Gruppe in Kamerun erst ab 2012 aktiv. Es kam seither zu einer Reihe von Entführungen, Überfällen und Selbstmordanschlägen. 2014 erklärte die Regierung Kameruns der Gruppe den Krieg und stürzte das Land in eine gesellschaftlich polarisierende Auseinandersetzung.
Die sich an den Vortrag anschließende Diskussion behandelte vor allem die Frage nach der Verwurzelung der Radikalisierung von jungen Männern in Armut und Perspektivlosigkeit und der mangelhaften humanitären Versorgung der betroffenen Regionen. Diese wiederum ist auch in der fehlenden Sicherheit in der Region begründet, die erst militärisch gewährleistet sein müsste. Dem Militär hingegen werden durch Amnesty International Menschenrechtsverletzungen vorgeworfen, die auch mit ursächlich für neue Rekrutierungsmöglichkeiten durch Boko Haram sein dürften. Die Frage danach aufzuwerfen, wird in Kamerun jedoch seit der offiziellen Kriegserklärung oft als Anfeindung gegen Militär und Regierung aufgefasst und – der fragenden Personen wird unweigerlich Sympathie mit Boko Haram zum Vorwurf gemacht.
Weitere Punkte in der Diskussion widmeten sich der regionalen Ausdehnung der Aktivitäten der Kämpfer von Boko Haram und ihrer religiösen und ethnischen Identität. Schließlich wurde noch die Frage nach der Legitimität des Präsidenten aufgeworfen, der in seiner fast 34-jährigen Amtszeit mit verantwortlich ist für einen politischen, wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Stillstand im Land. Es handelt sich also um eine hochkomplexe Konstellation von Einfluss- und Problemfaktoren, deren Erörterung noch viel länger, als die zwei anberaumten Stunden des Feierabend-Talks hätte dauern können.