Direktdemokratie - Best Practice!

Das Zentrum direktdemokratischer Maßnahmen in Deutschland bildet die Volksgesetzgebung. Diese ist auf Landes- und Kommunalebene in einem dreischrittigem Prozess angelegt. Den Anfang bildet ein Antrag auf ein Volksbegehren. Für dieses wird eine gewisse Anzahl an Unterschriften (Unterschriftenquorum) gefordert und dessen formale Gültigkeit vom Länderparlament geprüft. Der Landtag kann sich als Folge dessen bereits diesem Thema annehmen. Ist dies der Fall, spricht man von einer Volksinitiative. Die Behandlung der Thematik im Länderparlament kann zu diesem Zeitpunkt auch verpflichtend sein, was von der jeweiligen verfassungstechnischen Ausgestaltung abhängt. Wurde dem Antrag auf ein Volksbegehren stattgegeben, folgt das solche. An dieser Stelle muss erneut ein vorgegebenes Unterschriftenquorum erreicht werden, was um einiges höher liegt als noch beim Antrag. Ist dieses Quorum erfüllt, folgt als abschließender Schritt der Volksentscheid. Die BürgerInnen stimmen über das Begehren ab. Ein Gegenvorschlag durch das Parlament ist möglich, ebenso wie vorgegebene Abstimmungsquoren als Bedingung für die Gültigkeit des Entscheids. Dasselbe gilt auf kommunaler Ebene unter den begriffen Volkspetition, Bürgerbegehren, Bürgerentscheid.  „Mehr Demokratie!“ hat diesen Weg der direkten Demokratie auf Länder- und auf Kommunalebene in den 16 Bundesländern der Bundesrepublik untersucht und dabei eine Rangliste nach Schulnoten erstellt. Am besten auf Länderebene schneidet Hamburg und auf Kommunalebene Berlin ab. Als Flächenland schneidet auf kommunaler Ebene Bayern am besten ab. Im Folgenden sollen nun kurz die von „Mehr Demokratie!“ angelegten Kriterien erläutert und dann die ‚Sieger‘ als best practice Beispiele vorgestellt werden.
Als Beurteilungskriterien der Direktdemokratie in den Ländern und Kommunen wurden vor allem vier wichtige Themenkomplexe herangezogen. Zum einen wurde untersucht, ob sich im Gros der Politikfelder BürgerInnen und Parlament auf Augenhöhe befinden, was meint, dass keine Politikfelder  (oder so wenige als möglich), wie zum Beispiel die Finanzpolitik von direktdemokratischen Verfahren ausgeschlossen sind und die BürgerInnen auch die Möglichkeit haben, die Länderverfassung zu verändern. Zum anderen war für die Bewertung wichtig, dass die Auflagen des Volksbegehrens, wie das Unterschriftenquorum oder die Sammelfrist angemessen und gut erfüllbar sind. Darüber hinaus wurde die Praxis des Volksentscheides miteinbezogen. Als ideal gilt, wie bei normalen Wahlen den Mehrheitsentscheid gelten zu lassen und keine Beteiligungs- oder Zustimmungsquoren vorauszusetzen. Des Weiteren flossen auch noch Punkte wie die Praktikabilität des Antrags auf ein Volksbegehren, eine Kostenerstattung für die Initiatoren oder die ausreichende Information der BürgerInnen über das Begehren mit in die Bewertung ein.

 
Bild entfernt.

Berlin

Berlin erreicht mit einer eins (1,3) den Spitzenplatz im allein auf die Kommunalebene bezogenen Ranking. Kaum für die Direktdemokratie ausgeschlossene Politikfelder sowie praktikable und mögli-che Bedingungen für ein Bürgerbegehren, wie ein Unterschriftenquorum von 5% und 6 Monate Zeit diese Unterschriften ohne örtliche Anbindung zu sammeln, sorgten in der Hauptsache für die gute Bewertung der Hauptstadt. Aber auch die Möglichkeit eines Ratsreferendums, der Briefwahl für Bürgerentscheide, die aufschiebende Wirkung eines Bürgerbegehrens, welche dafür sorgt, dass der Senat das Thema nicht parallel entscheiden kann oder ein Anspruch auf Beratung sind einige weitere Aspekte, die Berlin positiv angerechnet werden. Einzige Wermutstropfen sind das viele Bürgerentscheide unverbindlich bleiben und ein Quorum von 15% für diese existiert. Die 2005 eingeführten Regelungen für direkte Bürgerbeteiligung werden von „Mehr Demokratie“ als „sehr bürgerfreundlich“ bewertet. Daher ist an dieser Stelle Berlin best practice Vorbild.

 
 
Bild entfernt.
Foto: Wmeinhart (Quelle: Wikimedia.org). Dieses Foto steht unter einer GNU-Lizenz für freie Dokumentation.
Hamburg

Hamburg erreicht bei „Mehr Demokratie!“ den ersten Platz mit einer knappen zwei (2,3). Dafür den hauptsächlichen Ausschlag gibt ein besonderer Bestandsschutz von direktdemokratisch beschlossenen Gesetzen. Eine Änderung dieser durch die Bürgerschaft tritt  nur nach einer dreimonatigen Frist in Kraft, in welcher die BürgerInnen die Möglichkeit haben, über diese in einem Referendum abzustimmen. Ebenso fiel positiv auf, dass für Volksentscheide, sofern sie gleichzeitig zu einer Bundestags- oder Bürgerschaftswahl abgehalten werden, kein Beteiligungsquorum vorausgesetzt wird. Allein Bedingung ist, dass die erzielte Mehrheit mindestens den notwendigen Hamburger Stimmen für eine Mehrheit im gewählten Parlament entspricht. Ebenso sprach für die Hamburger Regelung, dass die Frist für eine Volksinitiative mit 6 Monaten ausreichend lang ist und bereits Anträge auf ein Volksbegehren automatisch  in der Bürgerschaft thematisiert werden müssen. Auch das Unterschriftenquorum für das Volksbegehren in Höhe von 5% sowie die Tatsache, dass diese frei eingesammelt werden dürfen und nicht an einen bestimmten Ort, wie zum Beispiel das Rathaus gebunden sind, lag im Rahmen des Erwünschten. Die Möglichkeiten von Konkurrenzvorlagen für den Volksentscheid durch das Parlament und von Volkspetitionen sowie das Bereitstellen einer Informationsbroschüre zum Thema der Volksabstimmung waren weitere Pluspunkte Hamburgs. Aber auch Hamburg war noch ein ganzes Stück von der Bestnote entfernt, da kein obligatorisches Referendum zu Verfassungsfragen vorgesehen ist und die Frist für ein Volksbegehren mit 21 Tagen kurz ausfällt. Am Stärksten aber fiel negativ ins Gewicht, dass insbesondere finanzpolitische Themen vom direktdemokratischen Verfahren ausgeschlossen sind und allein der Hoheit der Bürgerschaft unterliegen. Die Hamburger Volksgesetzgebung, erst 1996 ermöglicht und 2008 auf den derzeitigen Stand gebracht wird rege angewandt und war 2010 durch die Schulreform in ganz Deutschland Thema. Trotz einiger von „Mehr Demokratie!“ verzeichneter Mängel eignet sich Hamburg daher als best practice Beispiel.