"Kriegsbraut" - Perspektiven für Afghanistan

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Dirk Kurbjuweit, Michael Serrer und Winfried Nachtwei (v. l.)
 

Am 08.09.2011 luden die Heinrich Böll Stiftung NRW und das Literaturbüro NRW anlässlich des zehnten Jahrestages der Terroranschläge vom 11. September zu einem Diskussionsabend rund um das Thema Bundeswehreinsatz in Afghanistan. In der geschichtsträchtigen Villa Horion in Düsseldorf stellten sich Dirk Kurbjuweit, vom Magazin Spiegel bekannter Journalist und Autor des Romans „Kriegsbraut“ sowie Winfried Nachtwei als langjähriges Mitglied des Bundestages für Bündnis 90/Die Grünen und ausgewiesener Experte für Friedens- und Sicherheitspolitik den Fragen der zahlreich erschienen Gäste und des Moderators Michael Serrer vom Literaturbüro NRW.

Serrer führte die Anwesenden durch den Abend, der doppelt geprägt war durch die Diskussion über den Einsatz der Bundeswehr in Afghanistan und zwei Leseeinlagen des Autors Kurbjuweit aus seinem Werk „Kriegsbraut“. In dem Roman erzählt Kurbjuweit die Geschichte der deutschen Soldatin Esther, die enttäuscht über zahlreiche gescheiterte Beziehungen neuen Halt in den klaren Strukturen der Bundeswehr sucht und in Afghanistan auf den Schulleiter Mehsut trifft. Die Beiden verlieben sich und somit entsteht in der Figur der Esther eine menschliche Brücke zwischen zwei nahezu unwirklich unterschiedlichen Lebenswelten. „Kriegsbraut“ ist keine klassische Liebesgeschichte sondern regt zum Nachdenken über politisch relevante Themen an.  Die Rolle von Frauen in der Bundeswehr, Sinn oder Unsinn des Bundeswehreinsatzes in Afghanistan wie auch die Situation der afghanischen Bevölkerung werden von Kurbjuweit durch die Augen seiner Figuren geschildert und die LeserIn  so ermutigt, sich eine eigene Meinung zu bilden. Dabei beschreibt er einen „merkwürdig leisen Krieg“, indem genau und einfühlsam das Verhalten, das Reden und Schweigen der verschiedenen Beteiligten in den Mittelpunkt einer Geschichte gestellt wird, in welcher die Vereiste letztlich dort auftaut, wo für andere das Ende der Welt ist. Am Donnerstagabend las er für das gespannt zuhörende Publikum zuerst ein Kapitel, in welchem der Afghane Mehsut versucht, mit seiner Familie vor der Herrschaft der Taliban zu fliehen und dabei seine Frau und seine Tochter verliert. Später dann, nach einer Unterbrechung, die Zeit für erste Fragen und Diskussionen lieferte, gab er eine Stelle von „Kriegsbraut“ zum Besten, wo Esther mit ihren Kameraden in einen Hinterhalt der Taliban gerät und im Anschluss daran ihren Vorgesetzten von der Kampfsituation berichten muss. Schon lange ist Afghanistan kein bloß politisches Thema mehr, sondern auch eins der Frauen und Männer, die von der Politik an den Hindukusch entsandt, dort Verwundung, Verlust, Tod, aber auch Zukunft erleben. Der Roman ist schließlich auch ein Beitrag zum genaueren Hinsehen, zu mehr Aufmerksamkeit für Menschen, die diese Aufmerksamkeit viel zu wenig erfahren.

Die Debatte zwischen dem Publikum und den geladenen Gästen kreiste vor allem um die Sinnhaftigkeit des Bundeswehreinsatzes und einen möglichen Abzug deutscher Truppen aus Afghanistan. Winfried Nachtwei verteidigte dabei die Entscheidung der damaligen rot/grünen Bundesregierung für einen Einsatz der Bundeswehr und die derzeit viel thematisierte „uneingeschränkte Solidarität mit den USA.“ In Übereinstimmung mit dem Gros der Anwesenden formulierte er die Forderung nach einem klaren Plan, wie es nach dem beschlossenen Abzug der amerikanischen Soldaten und auch den deutschen (2014) weiter gehen soll, damit nicht nur verbrannte Erde als Ergebnis von über zehn Einsatzjahren bleibt.

Er sorgte für interessante Einblicke in den Entscheidungsprozess der damaligen Regierungskoalition und konnte auf interessierte Nachfragen hin, Antworten auf viele verschiedene ‚Warums‘ und ‚wiesos‘ der aktuellen Situation in Afghanistan liefern. Grundsätzlich konnte sich Runde auf initiative Nachtweis hin darauf einigen, dass als Ziel für das Miteinander in der Welt die Umsetzung der Präambel der UN Charta bleiben müsse:

„WIR, DIE VÖLKER DER VEREINTEN NATIONEN – FEST ENTSCHLOSSEN, künftige Geschlechter vor der Geißel des Krieges zu bewahren, die zweimal zu unseren Lebzeiten unsagbares Leid die Menschheit gebracht hat…“

Die Heinrich Böll Stiftung NRW bedankt sich bei allen Gästen für einen aufschlussreichen Abend.