Kontaktbeschränkungen, minimiertes Freizeitangebot oder Schule von Zuhause: die Pandemie fordert uns in Vielem heraus. Für einen Berufsstand gestalten sich die Auswirkungen von Covid-19 jedoch besonders existenziell, auch, weil ihre besondere Not durch die Hilfsmaßnahmen der Politik keine Berücksichtigung findet. Warum es gerade jetzt besonders wichtig ist, Menschen, die hinter der Bühne arbeiten, zu unterstützen, erzählt Dorian Steinhoff, Initiator der Hilfsaktion #handforahand, im Interview.
Was macht #handforahand und warum wurde diese Initiative gegründet?
#handforahand ist ein Solidaritätsfonds für freie Bühnentechniker*innen, Beleuchter*innen, Stage hands und Veranstaltungshelfer*innen. Wir sammeln Spenden und schütten diese monatlich an die betroffene Berufsgruppe aus. Wir haben diese Initiative gegründet, weil uns im März klar geworden ist, dass Vertreter*innen dieser Gewerke, vor allem Freiberufler und Soloselbständige, sehr stark von den wirtschaftlichen Auswirkungen der Pandemie betroffen sein werden und außerdem durch alle Soforthilferaster von Bund und der Länder fallen, also unverschuldet in die Grundsicherung fallen. Dieser Zustand war für uns nicht hinnehmbar, weil die Arbeit dieser Menschen ein ganz unbedingter Teil unserer kulturellen Infrastruktur ist, auf die wir nach der Pandemie zurückgreifen können müssen, damit ein Erleben von Kunst und Kultur weiterhin möglich sein wird.
Wie setzt sich das Team zusammen?
Körperschaftlich getragen wird unsere Initiative vom gemeinnützigen Verein „Junge Literaturvermittlung Köln e.V.“ Aktiv für #handforahand sind der Vereinsvorstand, einem unabhängigen Vergabegremium, das aus fünf Leuten besteht, die alle selbst im Kulturbetrieb tätig sind, und ehrenamtlichen Helfer:innen, die uns bei der administrativen Arbeit unterstützen.
Was sind die Ziele von #handforahand?
Ganz zentral ist, dass wir mit unserer Arbeit die Botschaft senden: ihr seid nicht allein. Eine große Gruppe von Menschen gibt Geld für euch, es gibt viele kleine Initiativen und global agierende Unternehmen, die das Problem erkannt haben und mit Spenden dazu beitragen, die wirtschaftlichen Folgen eurer Not abzumildern. Und auch wenn die Einmalzahlung, die wir ausschütten, bei 1.000 Euro pro Person gedeckelt ist, hilft das Geld diese schwierige Zeit besser zu überstehen.
Wie nehmen die betroffenen Menschen die Hilfe an?
Sehr, sehr dankbar. Uns haben schon Postkarten erreicht. Völlig fremde Menschen erzählen uns, dass sie ihren Kindern durch unsere Hilfe wieder ein Eis kaufen konnten.
Wie gestaltet sich die Spendenbereitschaft?
Stand heute gibt es 24.639 Menschen, die bereits an #handforahand gespendet haben, die Beträge liegen dabei zwischen 1-2000 Euro von Einzelpersonen. Unternehmen und andere Initiativen, die uns unterstützen haben auch bereits weitaus höhere Einzelspenden getätigt.
Was betrachten Sie weiterhin als entscheidend für den Erfolg von #handforahand?
Mit wachsender Aufmerksamkeit für die Probleme der von uns unterstützten Berufsgruppe, steigt die Spendenbereitschaft, steigt der Umfang, mit dem wir helfen können. Die Anzahl der Anfragen auf Unterstützung korrelieren entsprechend. Das bedeutet, je mehr Aufmerksamkeit wir für die Initiative erzeugen, desto erfolgreicher kann sie sein, desto mehr Menschen kann geholfen werden.
Also ist es wichtig, dass die Initiative bekannter wird, mehr Menschen spenden und so mehr Menschen Unterstützung erhalten können?
Genau, ich glaube, dass momentan ein großes Bewusstsein für die äußerst prekäre Lage der Veranstaltungsbranche herrscht. Und es ist leider wirklich ernst, unsere kulturelle Infrastruktur ist bedroht. Dieses Bewusstsein zu nutzen heißt auch, dass wir den Menschen einen Weg bieten müssen, auf dem sie helfen können, und das versuchen wir.
Merkt man bei den Anfragen auf Unterstützung einen Unterschied zwischen Frühjahr und heute?
Ja, die Menschen sind verzweifelter. Die Not wird größer.
Wie geht es jetzt mit #handforahand weiter?
Wir arbeiten momentan an mehreren Kooperationen mit neuen Partnern, die zum Teil höhere Beträge spenden möchten und große Aufmerksamkeit auf die Initiative lenken könnten.
Was erhoffen Sie sich vom Preis „Der Heinrich“?
Wir planen momentan unsere Preisverleihung, die wir nächstes Jahr ausrichten dürfen. Zu diesem Anlass möchten wir die Daten, die wir von den Menschen, die bei uns nach Unterstützung fragen, anonymisiert auswerten lassen, um zu zeigen, unter welchen wirtschaftlichen Bedingungen diese Berufsgruppe arbeitet und gearbeitet hat. Denn auch schon vor der Pandemie waren die Arbeitsbedingungen prekär. Covid-19 hat diese Verhältnisse auf grausame Weise ans Licht gezerrt. Idealweise schaffen wir so eine Grundlage, um eine nachhaltige Verbesserung von Arbeitsstrukturen im Kulturbetrieb einzuleiten.