Impressionen: Zu Gast beim 23. Böll.Forum

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Vorbereitungsteam Böll.Forum

Im Raum war es still und eine gespannte Stimmung breitete sich aus, als die Technik die Sekunden abzählte, bis der Livestream des diesjährigen Böll Forums begann.

Pünktlich um 18:00 Uhr war es so weit- das Böll Forum wurde das erste Mal live gestreamt, eine neue Art der Teilhabe für die Zuschauer*innen und eine neue Herausforderung für die Organisator*innen.

„Pandemic&Arts“ war das Thema des Böll Forums und so stand die gesamte Veranstaltung unter dem Stern der besonderen Situation. Der Livestream begann mit einem musikalischen Intro des „Get Over it Collective“ und regte durch einen Sprechpart zum Nachdenken und Entspannen an. Danach  wurden die Zuschauer*innen von der Moderatorin Ella Anschein begrüßt, die die Veranstaltung einleitete und über die Herausforderung der Künstler*innen in dieser Zeit sprach. Sehr angenehm und auch durchaus bemerkbar in ihren Aussagen war, dass sie ebenfalls eine Künstlerin ist und deshalb gut nachempfinden kann, welchen Problemen die Künstler*innen gegenüberstehen.

Auch Iris Witt hieß die Zuschauer*innen im Namen der Heinrich-Böll Stiftung willkommen. Sie thematisierte die Corona-Pandemie im Hinblick auf die Veränderungen, die bei den Veranstaltungen einher gehen und bedankte sich bei den Menschen, die diesen Abend möglich gemacht hatten.

Bevor die Diskussion mit den verschiedenen Künstler*innen anfing, gab es eine Impulslesung von Franziska Krumwieder-Steiner und dem Roma-Schriftsteller Jovan Nikolic. Bei der Corona-Pandemie oft nicht im Fokus steht die literarische Kritik von gesellschaftlichen Ereignissen, wie beispielsweise Rassismus- und dies wurde mit den Geschichten angesprochen. Besonders nachdenklich gestimmt hat mich die Geschichte, in der ein kleiner Junge als Zigeuner beschimpft wird; ein Wort, welches er nicht versteht, aber die Bedeutung dahinter zu ahnen beginnt. Nun bleibt der Junge immer etwas länger vor dem Spiegel stehen und sucht in seinem Abbild die Bedeutung dieses Wortes. Ich finde diese Geschichte äußerst aktuell, denn es geht darum, dass ein Mensch aufgrund seiner Herkunft oder seines Verhaltens nicht vollends von der Gesellschaft akzeptiert wird und so für einige Menschen minderwertig ist. Dieses Denken sollte überholt sein, jedoch zeigen derzeitige Entwicklungen, dass viele Menschen den Wert eines Menschen an äußeren Merkmalen festmachen, wie der Ethnie, anstatt das Wesentliche, den Charakter des Menschen zu sehen, der das einzig Relevante darstellt.

Im Anschluss daran begann die Diskussion der Künstler*innen. Aus unterschiedlichen Bereichen, verschiedenen Städten, mehreren Altersstufen teilten sie uns mit, wie sich ihre Arbeit durch Corona entwickelt hat und welche Projekte sie verfolgt haben.

Interessant fand ich, dass die Künstler*innen dem ersten Lockdown durchaus etwas positives abgewinnen konnten. So begann beispielsweise für Konstanze Ziemke eine kreative Phase, in der viele Werke entstanden. Im Sommer konnte sie diese sogar in einer kleinen Ausstellung zeigen. Auch für die anderen war es eine Zeit, in der sie sich neu ordnen und neue Projekte planen konnten.

Dennoch brachte die Zeit auch ungewohnte Veränderungen mit sich.

Für Dr. Susanne Ristow, die Initiatorin des Düsseldorfer Kooperationsbündnisses Kunstvirus 2020, ist es seltsam, dasss sich nun viele Künstler*innen mit dem Virus in der Kunst beschäftigen, da ihre Arbeit, die dies ebenfalls thematisierte, vorher nie wirklich verstanden wurde.

Viele Projekte konnten in ihrer geplanten Form so nicht stattfinden; das „Get Over it Collective“ möchte keine Musikveranstaltungen über soziale Netzwerke stattfinden lassen, da ihnen als queeres und feministisches Party-Kollektiv die persönlichen Begegnungen wichtig sind und die Akzeptanz, die das Feiern in der Masse mit sich bringt. So konnten sie während des ersten Lockdowns die Zeit nutzen, um neue Veranstaltungen zu planen, nur durchführen lassen sich diese jetzt nicht. Das ist traurig für die Veranstalterinnen und zeigt deutlich den Verlust in persönlicher und kultureller Hinsicht, den die Pandemie verursacht.

Doch nicht nur durch das „Get Over it Collective“, sondern auch durch die Aussagen der anderen Referent*innen wurde deutlich, das der Teil-Lockdown im November das wirkliche Problem für die Künstler*innen darstellt, da nun wieder Zeit wäre, Werke zu präsentieren und in persönlichen Kontakt zu treten.

Ella Anschein konnte die Stimmung der Künstler*innen sehr gut einfangen und den Zuschauer*innen atmosphärisch vermitteln. Ihre Fragen beantworteten die Referent*innen gerne und so wurden die Hoffnungen, Gefühle und Schwierigkeiten der Künstler*innen, aber auch die unkonventionellen Lösungen, die diese fanden, sichtbar. So stellt Konstanze Ziemke ihre Werke in einem Unverpacktladen aus, der nicht geschlossen wird, und wo die verschiedenen Menschen ihre Kunst bewundern können, Zara Zoe Gayk hat dagegen einen Solidarfonds namens „EinTopf“ gegründet, der Kunst-und Kulturschaffenden mit finanziellen Beiträgen hilft, die Coronakrise zu überstehen. Und Frank N initiierte „OUT AND ABOUT“, dabei wird Kunst an Plakatwänden in Wuppertal ausgestellt- so können Menschen die Kunst jederzeit im Alltag wahrnehmen, getreu nach dem Motto: Wenn die Menschen nicht in Ausstellungen gehen können, muss die Kunst zu den Menschen gebracht werden. Daneben setzt es auch ein Zeichen für die Politik: die Künstler*innen sind immer noch da.

Am Ende wurde wie jedes Jahr der Preis „der Heinrich“ verliehen. Auch bei der Wahl des Gewinners- der Initiative „#handforahand“ - wurde der Einfluss der Pandemie sichtbar. Die Initiative sammelt Geld für Künstler*innen, welche keine finanzielle Berücksichtigung bei staatlichen Hilfeleistungen erfahren. Auch zu dem Preis gab es eine interessante Rede.

Beendet wurde das Böll Forum mit einem Outro des „Get Over it Collective“. Dieses Mal wirkte die Musik wütend und aggresiv und verkörperte so einen Teil der Gefühle, den viele Menschen mit den persönlichen Auswirkungen der Pandemie verknüpfen.