Heinrich XV: Laudatio Clara Gerlach

Laudatio

Clara Gerlach ist seit 2004 Mitglied der GRÜNEN Ratsfraktion Düsseldorf. Als kulturpolitische Sprecherin liegen ihre Schwerpunkte in den Bereichen Kultur, Schule und Bildung.

Lesedauer: 5 Minuten

Sehr verehrte Gäste,
Liebe Freundinnen und Freunde der Heinrich Böll Stiftung NRW,

ich habe heute die große Freude und Ehre das Tanzhaus NRW als Gewinner des Heinrichs für 2019 zu würdigen. Das Tanzhaus NRW ist,  wie der Name vermuten lässt, tief in NRW, aber vor allem auch in seiner Landeshauptstadt Düsseldorf verwurzelt. Es nimmt die Menschen hier mit, lässt sie Tanz gemeinschaftlich erleben, strahlt aber weit über Düsseldorf und NRW hinaus.

Seit 2004 vergibt die Heinrich Böll Stiftung NRW den Ideenpreis "Der Heinrich". Der Heinrich soll Projekten, Initiativen, Vereinen "stärkere Beachtung für beachtlich Geleistetes verschaffen" und so auch "Müde und Zweifelnde zum Nachmachen ermuntern." So würdigt der "Heinrich" insbesondere Projekte, mit aktivierender Wirkung der Ideen und neuen bürgerschaftlichen Beteiligungsformen.

Die Jury "hat sich für ein Haus entschieden, welches das interkulturelle Miteinander tagtäglich (vor)lebt und lehrt." Sie befand, dass das Tanzhaus NRW "das kosmopolitische Miteinander in der Landeshauptstadt in einer außergewöhnlichen Art und Weise" prägt. Und das möchte ich heute an ein paar Beispielen verdeutlichen: Gegründet wurde das Tanzhaus als Werkstatt. Das Ziel des Vereins war, Kreativität zu fördern und Begegnungen zwischen Künstlern und der Bevölkerung zu ermöglichen. Diesem Ziel ist das Tanzhaus NRW bis heute verpflichtet.
Wer in Düsseldorf wohnt, hat in seinem Bekanntenkreis mindestens eine Person, die im Tanzhaus einen Kurs besucht hat. Das liegt an der einzigartigen Konstruktion des Tanzhauses NRW. Im Kurssystem, das alle Arten des Tanzes umfasst, unterrichten Dozenten aus der ganzen Welt, Schülerinnen und Schüler, Erwachsene, Seniorinnen aus der ganzen Welt. Dazu kommen die Choreographen und Tänzer aus
Düsseldorf, NRW und der ganzen Welt, die aktuelle Positionen des Tanzes ins Düsseldorfer Leben bringen. Die wöchentlich über 4600 unterschiedlichsten Kursbesucher erleben den Tanz als individuelle Ausdrucksform. Tanz funktioniert jenseits der Sprache, und kann so Menschen zusammenbringen, sprachliche und kulturelle Grenzen spielend außer Kraft setzen. Durch die eigene Begeisterung am Tun, entwickeln sich Begegnung und Verbindung. Es wird dann zunehmend egal, aus welchem Teil der Welt jemand kommt oder in welchem Umfeld er aufgewachsen ist. Gerade in unserer Zeit eines erstarkenden Populismus sind "Einmischen und Mitgestalten und Freude an verantwortlichem Tun", wie es im Leitbild der Heinrich Böll Stiftung heißt, essentiell für den Erhalt unserer Demokratie. Und das Tanzhaus trägt seinen großen Teil zu einer funktionierenden demokratischen Kultur bei.
Aber nicht nur die Besucher kommen in den Genuss des "Einmischens und Mitgestaltens", auch das Haus selbst nimmt diesen Auftrag  ernst. Das Haus öffnet sich seinem Umfeld ganz praktisch, aber auch künstlerisch und nimmt die Vielfalt unserer Gesellschaft in den Blick.
Das Tanzhaus geht gezielt auf Menschen zu. So hat das Tanzhaus sich seinem Umfeld geöffnet. Erkundet, wie seine Nachbarn leben und arbeiten, was sie bewegt und was sie vom Tanzhaus erwarten. Das Tanzhaus hat 14 Partnerschulen in Düsseldorf, mit denen es stetig zusammenarbeitet. Und natürlich kommen die vielen Besucherinnen und Besucher. Die Ansichten und Erwartungen dieser sehr unterschiedlichen Menschen finden Eingang in die Überlegungen und Gestaltung des Hauses und machen das Haus so auch zu ihrem.

Auch im Künstlerischen hinterfragt das Tanzhaus hergebrachte Strukturen. Mit der Programmserie "Real Bodies" stellte das Tanzhaus die mutige Frage, nach den eigenen Sehgewohnheiten. Bilden die perfekten Körper, wie sie nur allzu oft auf der Bühne zu sehen sind,  tatsächlich unsere Gesellschaft ab? Oder kann und muss künstlerische Relevanz und Qualität nicht auch jenseits der gängigen Schönheitsideale funktionieren? Aus dieser Fragestellung entwickelte sich eine Kampagne, in der auf der Bühne Menschen standen, die wegen ihrer Körperlichkeit ausgegrenzt werden. In der ganzen Stadt hingen Plakate mit unperfekten und auch versehrten Körpern. So aktiviert das Tanzhaus, regt zum Hinterfragen an und stellt sich in die Mitte des gesellschaftlichen Diskurses. Das Tanzhaus verbindet  herausragende künstlerische Qualität mit bürgerschaftlichen Beteiligungsformen. Es aktiviert gesellschaftliche und künstlerische Prozesse, schafft Vorbilder in einer vielfältigen Welt und fungiert als Treffpunkt der unterschiedlichsten Menschen in unserer Stadt und NRW.
Das ist mit viel Arbeit verbunden und das ist nicht selbstverständlich. Das ist "großartig", wie die Jury befand.

Gestatten Sie mir zum Ende einmal (kommunal-)politisch zu werden: Auch die Stadt Düsseldorf erkennt die großartige Leistung des Tanzhauses. Seit 2014 arbeiten wir daran, das Gebäude des Tanzhauses zu sanieren und den dringend benötigten Anbau zu realisieren. Im letzten Haushalt haben wir dafür die Planungsmittel bereitgestellt und setzen alles daran, dass die Arbeiten zügig beginnen können.
Insofern möchte ich mit der Hoffnung schließen, dass das Tanzhaus NRW so weiter macht wie bisher, sich dabei stetig verändert, wie es das bisher auch getan hat, und sein Wirken in der Zukunft noch erweitern und so erfolgreich wie heute fortführen kann! Ich darf mich bedanken für Ihre fantastische Arbeit, Frau Masuch, und bedanken für die fantastische Arbeit der vielen Dozentinnen und Dozenten, Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter die dieses Haus mit Leben füllen.

Und jetzt darf ich Sie, Frau Masuch, stellvertretend für Ihr Haus, mit einem großen Applaus auf die Bühne bitten.