Böll befragt ... Jan-Niclas Gesenhues (8|18)

Interview

Jan-Niclas Gesenhues ist Mitglied im GRÜNEN NRW-Landesvorstand, Fraktionssprecher und Vorsitzender des Umweltausschusses im Kreis Steinfurt, Doktorand an der Uni Münster und heute im Gespräch mit Veronika zur Wirkung kommunaler Nachhaltigkeitsarbeit.

Lieber Jan-Niclas, als engagierter GRÜNER Politiker gehören Diskurse rund um das Thema Nachhaltigkeit mit Sicherheit zu deinem Alltag. Kaum ein Begriff wird so häufig und divers genutzt, um zukunftsweisendes Denken und Handeln zu beschreiben. Was bedeutet Nachhaltigkeit für dich persönlich?

Ich möchte, dass wir unseren Kindern diese Welt in einem besseren Zustand übergeben. Das ist für mich die Leitschnur für nachhaltige Politik und nachhaltiges Handeln. Wenn wir anerkennen, dass auch kommende Generationen ein Recht haben, gut und in Freiheit zu leben, dann sollten wir dafür sorgen, dass sie dafür auch gute Bedingungen vorfinden. Damit meine ich zum Beispiel eine gesunde Natur, ein stabiles Klima und intakte natürliche Ressourcen. Das ist die Grundlage für alles andere. Nachhaltigkeit umfasst für mich aber auch sozialen Zusammenhalt, Aufstiegschancen und eine solide, dem Gemeinwohl verpflichtete Wirtschaft. Dabei muss Nachhaltigkeit immer auch global gedacht werden. Nicht nur in Deutschland oder Europa, auch in anderen Teilen der Welt haben kommende Generationen ein Recht auf ein gutes Leben. Deshalb ist mir persönlich sehr wichtig, dass wir in der Umwelt-, Wirtschafts- und Sozialpolitik die globalen Folgen unserer Entscheidungen stärker in den Blick nehmen.

Beeinflusst dieses Konzept auch deine politische Arbeit?

Auf jeden Fall! Nachhaltigkeit - oder ich würde sagen der Einsatz für eine bessere Zukunft - ist für mich die Grundmotivation, Politik zu machen. Ich setze mich für eine nachhaltigere Politik ein, weil wir gerade dabei sind, unsere Lebensgrundlagen - und damit die Lebensgrundlagen kommender Generationen - dauerhaft zu schädigen. Wenn alle Menschen so leben würden wie die Deutschen, bräuchten wir drei Erden. Das ist alles andere als nachhaltig. Deswegen frage ich mich vor politischen Entscheidungen: Welche langfristigen Konsequenzen hat mein Handeln? Was bedeutet meine Entscheidung für kommende Generationen?

Mit Blick auf deine kommunalpolitischen Erfahrung: Worin siehst du konkrete Chancen der Kommunalpolitik, um nachhaltige Entwicklung voranzutreiben? Kann dieser Wirkungsgrad tatsächlich zu einem globalen Wandel beitragen? Schwingt da nicht eine gewisse utopische Vorstellung mit?

Mit konkreten Projekten vor Ort gelingt es nach meiner Erfahrung am besten, Menschen für Nachhaltigkeit, bewussten Konsum und globales Denken zu begeistern. Für eine nachhaltige Kommunalpolitik sollten wir auf jeden Fall die Fähigkeit mitbringen, außerhalb von eingefahrenen Strukturen zu denken. 

Wir stehen vor großen ökologischen und sozialen Herausforderungen, die sich nicht mit den alten Konzepten lösen lassen - weder global noch kommunal. Wenn wir es schaffen, wirksame Maßnahmen für mehr Nachhaltigkeit zu entwickeln, dann ist die Kommune der perfekte Ort, um neue Konzepte und Ideen praktisch auszuprobieren. Wenn diese Ideen dann erfolgreich sind, können sie als Vorbild dienen und andere Kommunen, Regionen oder Länder können auf die gemachten Erfahrungen zurückgreifen. Im Kreis Steinfurt haben wir beispielsweise wegweisende Konzepte für eine regional verankerte und bürgerschaftlich getragene Energiewende entwickelt und ausprobiert. Bis zum Jahr 2050 will der Kreis Steinfurt bilanziell energieautark sein und wir sind auf einem guten Weg. Mittlerweile beraten wir viele andere Regionen, die unsere Konzepte übertragen wollen. So kann Nachhaltigkeit von unten wachsen.

Spannende Ansätze! Doch nicht nur kommunal wird Nachhaltigkeit verfolgt: Mit der Agenda 2030 hat sich die internationale Staatengemeinschaft im Herbst 2015 erstmalig auf 17 konkrete Ziele geeinigt, die das Handeln aller Staaten weltweit bis 2030 leiten sollen. Gibt es für dich eines dieser Ziele, welches dir besonders am Herzen liegt? Falls ja, wieso?

Alle Ziele sind wichtig und deshalb ist es schwierig, ein einzelnes Ziel rauszupicken. Ich finde aber schon, dass die internationale Staatengemeinschaft besonders ihre Ziele zum Schutz der natürlichen Ökosysteme und des Klimas endlich ernster nehmen sollte. Sonst werden wir die nachhaltigen Entwicklungsziele krachend verfehlen. Wir sollten nicht vergessen, dass die Lösung ökologischer Krisen an vielen Stellen auch der Schlüssel für die sozialen und wirtschaftlichen Entwicklungsziele der internationalen Staatengemeinschaft ist. Ein Beispiel: Wenn wir beim Klimaschutz nicht endlich ambitioniert handeln, werden bis Mitte dieses Jahrhunderts einige hundert Millionen Menschen wegen der Klimakrise ihr Zuhause oder gar ihr Leben verlieren. Die Vereinten Nationen haben ja selbst entsprechende Zahlen herausgegeben. Deswegen: Es lohnt sich, in Umwelt- und Klimaschutz zu investieren. Für globale Gerechtigkeit, eine intakte Natur und gesunde Lebensmittel.

Passend hierzu findet am 15. September findet die Tagung „BNE in Kommunen" in Gelsenkirchen statt. Auch du bist als Gast der Abschlussrunde dabei - mit welchem Satz würdest du neugierig auf deinen Beitrag machen?

Vor Ort können wir einen wichtigen Beitrag für mehr globale Gerechtigkeit und ökologischen Fortschritt leisten - wie genau, das werden wir am 15. September in Gelsenkirchen diskutieren.

Danke für das Interview!