Der Krieg hatte mir Ruhm eingebracht, Ruhm auf den ich nicht stolz bin. Es ging bei diesem sinnlosen Krieg ums Überleben, ums nackte Überleben. Menschen werden mit Begabungen geboren, die meisten von ihnen setzen sie zum Wohle der Menschheit ein. Ich habe sehr früh gemerkt, dass meine Gabe, der Umgang mit dem Revolver war. Ich musste mit ansehen, wie Banditen, die sich auf der Flucht befanden, auf eine feige und skrupellose Art meinen Vater und großen Bruder ermordeten, nur weil sie ihnen keine frischen Pferde für ihre Flucht geben wollten. Ich war damals neunzehn Jahre alt und wurde durch Glück nur angeschossen. Ich merkte mir die Gesichter und schwor Rache. Zwei Jahre brauchte ich, um jeden einzelnen dieser feigen Bande zu finden. Dann brach der Krieg aus. Ich meldete mich freiwillig, da ich mittellos war und unsere Pferde-Ranch von der Bank versteigert wurde, weil sie noch nicht abbezahlt war. Meine mir unterstellten Soldaten habe ich verantwortungsvoll geführt. Keinen einzigen habe ich verloren. Nach dem Krieg wollte ich keine Weggefährten. Ich war verbittert und ausgelaugt. Jeder ist sich selbst der nächste und ich wollte nicht mehr verantwortlich sein für das Leben der Anderen. Der Krieg hatte mir meinen Glauben an die Menschen genommen. Ich wollte nur noch allein sein und war wie ein einsamer Wolf. Von meinem Sold hatte ich etwas Geld angespart und wollte eine neue Ranch aufbauen. Dieser Wunsch löste sich ganz schnell in Luft auf, denn ich wusste nicht, dass mir mein Ruf voraus eilte, ein Ruf, der mich dazu zwang wie ein Ruheloser von einem Ort zum nächsten zu flüchten. Überall erzählte man sich von meinen Heldentaten im Krieg und der Verfolgung der berüchtigten Banditen. Natürlich wurden die Geschichten mit der Zeit zu Legenden und mit ihnen auch ich. Das Negative an diesen Legenden ist, dass jeder, der sich einbildet mit dem Schießeisen schnell zu sein, bald auf mei- ner Fährte war, um sich mit mir zu messen, denn es wird immer Idioten geben, die glauben, ebenfalls bewundert zu werden, wenn sie einen bisher unbesiegten Revolvermann im Duell schlagen. Aus diesem Grund flüchte ich, denn ich möchte nicht mehr töten. Fliehen gelingt nicht immer. Erst vor kurzem musste ich aus Notwehr zwei solcher Narren umbringen, weil ich sonst getötet worden wäre. Hätte ich mich nicht gerächt, wäre ich vielleicht nicht der geworden, der ich heute bin. Rache macht blind und tötet den Menschen. Ich bin und werde immer auf der Flucht sein. Auf der Flucht vor dem Ruhm. Auf der Flucht vor dem Töten.
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