Selbstbestimmt mit Kind: Modernes Mutter-Sein

„Der Konflikt. Die Frau und die Mutter.“ Unter diesem Titel veröffentlichte Elisabeth Badinter letztes Jahr ihre Streitschrift, dass nicht nur in Frankreich, sondern auch in Deutschland zu hitzigen Diskussionen führte. 

Am 8. Juli 2011 schloss der Ladies Lunch on tour NRW mit dem Thema „Mutterkult und Rabenmütter – Zwischen Kindeswohl und Selbstverwirklichung“ an diese Debatten an.
In den Räumlichkeiten des Internationalen Zentrum der Caritas in Köln versammelten sich Frauen mit und ohne Kinder um ihre persönlichen Erfahrungen im Umgang mit diesem vermeintlichen Konflikt auszutauschen.
Cornelia Benninghoven, Journalistin, moderierte durch den Abend mit dem Fokus auf die Frage ob sich (junge) Frauen heute in der Lage fühlen, Selbstbestimmung, Kindeswohl und die eigene Mutterrolle zusammenzubringen.

Badinter spricht über ihre Beobachtung, dass immer mehr junge Französinnen das von ihren Müttern gelebte Modell der Rabenmütter ablehnen. Sie sind entmutigt von der härter werdenden Arbeitswelt und geben sich eher der Rolle einer „guten, perfekten Mutter“ hin.
Genau dieses Bild der „guten Mutter“ kritisiert unsere Referentin Antje Schrupp, Journalistin und Autorin. „Wir sollten uns von diesem Bild verabschieden. Es ist nicht Aufgabe einer Mutter gut zu sein.“ Frauen sind einer Flut von gesellschaftlichen Debatten ausgeliefert, die ihnen eine bestimmte Mutterrolle diktieren. Dabei wird meist nach der Nützlichkeit von Kinder und Mütter für die Gesellschaft, anstatt zu  fragen was Frauen selbst wollen und brauchen. Denn 80% der Frauen streben nach ihrem ersten Kind die Rückkehr in den Beruf an. Jedoch waren im Jahr 2008 in Deutschland nur 45% der 30-jährigen Mütter mit Kindern bis zum Alter von 14 Jahren berufstätig (Quelle: Statistisches Bundesamt) .
Die Medien spielen im Diskurs über Mutterschaft eine nicht kleine Rolle. So wird die Schuld am Sinken der deutschen Bevölkerungszahlen vor allem den kinderlosen Akademikerinnen untergeschoben. Die kinderlose Frau als Gefahr für den Fortbestand eines leistungsstarken Deutschlands. Ein aufmerksamer Blick in die Statistiken der letzten Jahre zeigt jedoch, dass nicht Kinderlose, sondern das Abnehmen der Drei- und Mehrkind-Familien einen Rückgang der Geburtenzahlen zur Folge haben, weiß Antje Schrupp.
Diese beiden Beispiele zeigen, dass Mutter Sein heute immer noch nicht frei und vor allem nicht wertfrei gelebt werden kann und so sollten Frauen mit und ohne eigene Kinder nicht in die Individualisierungsfalle tappen und es „halt“ besser machen als die anderen. Sondern Mutter Sein und Nicht-Mutter Sein gemeinsam und vielfältig prägen und das nicht unter dem Kriterium besser und schlechter. 
Zu einer Diskussion über Frauen und die Chancen, die diese haben und ergreifen, gehört auch das Eingehen auf Bascha Mikas These:  Frauen seien nicht bereit, um jeden Preis wieder in den Job einzusteigen und bevorzugen aus Feigheit die altbekannte Mutterrolle. Aus kämpferischen Individualistinnen, die Kind, Küche und Karriere unter einen Hut bringen, werden „role models“ stilisiert, die „durchschnittlichen Müttern“ vorgehalten werden.
Es ist aber nicht die einzelne Frau, die aus ihrer vermeintlichen Feigheit keinen Weg zur Vereinbarkeit von Kind und Karriere findet. Vielmehr liegt das Problem darin, dass Kinder nicht im „normalen“ Berufsalltag akzeptiert sind. Die Tradition des männlich dominierten Arbeitsplatzes, wo zu Hause die Ehefrau für die Kinder sorgt muss demzufolge gebrochen werden.
Genau diese Veränderung in der Gesellschaft zu mehr Akzeptanz, dass Kinder auch zur Arbeitswelt gehören, fordert Barbara Steffens, Minister für Gesundheit, Emanzipation, Pflege und Alter in NRW. Es ist selbstverständlich, dass Kinder Arbeit machen und Aufmerksamkeit brauchen. Das Meeting beim gemütlichen Dinner am Abend ist dann einfach nicht mehr möglich. Genau von diesen informellen Meetings werden Mütter nahezu ausgeschlossen.
Ein Ansatz sind flexible Arbeitszeitmodelle, sodass die „Berufs- und Mutterzeit“ nicht miteinander kollidieren. Unsere nordeuropäischen Nachbarn sind uns in diesem Bereich wieder einmal voraus. In Norwegen sind Meetings nach 19 Uhr gesetzlich verboten. Aber der Anspruch zur Veränderung gesellschaftlicher Strukturen kann nicht nur von oben kommen. Frauen müssen Bedingungen aufstellen und diese auch einfordern.
Interessant ist der Vergleich zu schwul-lesbischen Eltern, wo 80% nach einem Jahr wieder ihren Beruf aufnehmen. Es herrscht keine klassische Aufteilung, eines alleinverdienenden Vaters und einer sorgenden Mutter. Es zeigt sich, dass Frauen in gegengeschlechtlichen Partnerschaften immer noch den Großteil an Haushalts- und Erziehungsaufgaben übernehmen, während lesbischen Frauen in einer Partnerschaft eine paritätische Aufteilung dieser Aufgaben zu 75% bzw. 70% aufweisen. Zu diesen Beobachtungen kommt Michaela Herbertz-Floßdorf in ihrer Studie „Lesbische Eltern in NRW“. Ihrer Meinung nach verändern Regenbogenfamilien die Sicht auf Familienstrukturen. Dies unterstreicht sie mit der Anekdote eines schwulen Elternpaares, welches anfänglich großen Widerstand erfuhr als, es sein Kind in den Kindergarten brachte. Nach einiger Zeit trat jedoch eine Mutter an sie heran, begeistert wie fürsorglich sie sich um das Kind kümmern. Sie seien ein Vorbild, auch für ihren Mann.

Das von Badinter gezeichnete Bild der Spannung zwischen Frau- und Muttersein darf sich nicht in den Köpfen von jungen Frauen verankern. Selbstbestimmte Frauen müssen – Wohl oder Übel – weiter kämpfen und neue Wege ausprobieren. So wie Barbara Steffens zu Kinderwagen in Verhandlungssälen und unter Dreijährigen in der Kinderbetreuung:  „Ich probiere es aus. Es muss für mich und das Kind passen. Wenn es nicht passt, überlege ich mir was anderes.“
Ganz nach der Devise: „Selbstbestimmt mit Kind!“

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