Die Erde hat Grenzen - Die Ökonomie nicht?
Die 4. Sommerakademie der Heinrich Böll Stiftung NRW brachte WissenschaftlerInnen, PolitikerInnen und PraktikerInnen aus verschiedenen Disziplinen zusammen um über die Grenzen des Wachstums zu diskutieren. Im Zentrum stand die Frage ob das Umschwingen auf ökologisch effizientere Techniken genügt, um den Klimawandel aufzuhalten. Reicht es, auf Solar und Wind zu setzen um unseren Lebensstil beizubehalten oder müssen wir uns selbst einschränken und somit daran arbeiten das weniger Energie verbraucht wird?
Am ersten Tag präsentierte Hermann Ott warum man sich mit dem Thema „Grenzen des Wachstums“ beschäftigen muss. Er erläuterte die Probleme die uns bald bevorstehen und welche Probleme das ständige Wirtschaftswachstum mit sich bringt und den Green New Deal als Notwendigkeit das bevorstehende Wachstum ökologisch zu neutralisieren.
Daraufhin stellte Niko Paech seine Theorie der Postwachstumsökonomie auf, in der einen potentiellen Ausweg aus dem Kreis des Wirtschaftswachstums darstellt. Sein Vorschlag bedeutet ein kulturellen Wandel durch Entschleunigung und Entrümpelung unsere Lebensstile.
„Wie wollen wir leben?“ war die Frage die es nach diesen Impulsen zu beantworten galt. Darf man diese Frage stellen? Wenn ja, wer darf sie stellen? Kann sie kollektiv beantwortet werden? Wie weit dürfen politische Vorraussetzungen gehen? Oder muss jeder individuell seinen Weg suchen?
Abschließend zeigte Ernst Schreckenberg am Abend einen filmischen Beitrag mit dem Titel „Wo Bäume in den Himmel wachsen“, in dem Phantasien über die Zukunft des Wachstums dargestellt wurden.
Am Samstag war dann alle Aufmerksamkeit auf die Diskussion um das Brutto-Inlands-Produkt gerichtet. Ist dieses Maß für Wohlstand noch aktuell? Was beinhaltet es und was sagt es wirklich über unsere Lebenssituation aus? Hat etwas Robert Kennedy recht mit seiner Aussage: „Das BIP misst alles, außer das, wofür sich das Leben lohnt“?
Als erstes stellte Roland Zieschank dar, warum ein gestiegenes BIP nicht unbedingt gesteigerten Wohlstand bedeutet. Er schlägt eine neue Messweise vor, die nicht ganz unabhängig von Wirtschaftlichen Wachstum ist, aber Einnahmen und Ausgaben die auf Kosten der Umwelt und Menschen entstehen nicht als positiven Umsatz mit einbezieht.
Der zweite Vortrag am Vormittag von Silke Helfrich trug den Titel: „Wie können wir kreativ die Wirtschaft schrumpfen und dennoch ein gutes Leben führen?“ Im Zentrum ihres Beitrages stand das Konzept der Gemeingüter, welches seit einigen Jahren eine starke Renaissance erlebt und mit der Auszeichnung der Politikwissenschaftlerin Elinor Ostrom mit dem Wirtschaftsnobelbreis 2009 zumindest temporär ins öffentliche Blickfeld gerückt wurde.
Als Abschluss für den Vormittag präsentierte Simone Dietz ihren Beitrag zur Glücksforschung und den Zusammenhang zwischen Wohlbefinden und wirtschaftlichen Wachstum.
In der Nachmittagsrunde gaben zuerst Peter Siller und Stefan Huster Impulse zum Thema „Weniger = Mehr?“. Daraufhin begann eine Debatte, in der alle Vortragenden und die TeilnehmerInnen der Sommerakademie ihre Positionen zum Thema Wachstum darstellten und einen positiven Fortschrittsbegriff versuchten zu formulieren.
Am Abend führte Markus Schäfer in das Werk Heinrich Bölls zum Thema Wirtschaftswachstum ein und zeigte Filmausschnitte und Interviews vom Namensgeber der Stiftung.
Die angesprochenen Fragen werden alle unter dem Schatten der voranschreitenden Zeit gestellt. Wie schnell müssen wir handeln? Hat die Demokratie dafür genügend Mittel? Sind unsere regionalen und globalen Institutionen stark genug? Kann das zu erwartende stürmische Wachstum der Weltwirtschaft in den nächsten Jahrzehnten mit dem Green New Deal ökologisch neutralisiert werden? Reicht das aus?
Impulse zu dem Thema gaben zum einen Reinhard Loske, Bremer Senator und Barbara Unmüßig, Vorstandsmitglied der Heinrich Böll Stiftung. Es wurde diskutiert, wie man durch Initiativen und Veranstaltungen die Themen, die im Moment brisant sind, nämlich ökologische und soziale Probleme, breit zugängig machen kann. Die beiden Vortragenden konnten aufgrund ihrer Wirkungskreise von Erfahrungen, vergangenen und zukünftigen Projekten berichten.
Vorträge
Warum wir über Wachstum reden müssen – Annäherungen zum Thema der Sommerakademie.
Von Dr. Hermann Ott, MdB Bündnis 90/Die Grüne, zuvor beim Wuppertal Institut
Die Postwachstumsökonomie als Alternative zu einem überkommenen wirtschaftswissenschaftlichen Dogma
Von Dr. Niko Paech, Apl. Professor, Vertreter des Lehrstuhls für Produktion und Umwelt an der Carl von Ossietzky Universität Oldenburg
Präsentation
Wo Bäume in den Himmel wachsen.
Filmische Phantasien über die Zukunft des Wachstums.
Von Ernst Schreckenberg, Medienpädagoge, langjähriger Leiter des Medienbereichs und des Kommunalen Kinos der Volkshochschule Dortmund
Illusionärer Wohlstand? - Hintergründe zur internationalen Diskussion um das BIP,
Von Dr. Roland Zieschank, Projektleiter an der Forschungsstelle für Umweltpolitik der Freien Universität Berlin
Präsentation
Gemeingüter. Wohlstand durch gemeinsames Tun!
Von Silke Helfrich, freie Bildungsreferentin und Publizistin, hauptsächlich für den Commonsblog
Präsentation
Glück gehabt. Kann Glück nachhaltig sein?
Von Dr. Simone Dietz, Professorin mit Schwerpunkt Praktische Philosophie, Heinrich-Heine-Universität
Präsentation 1
Präsentation 2
Natürliches Wachstum begreifen.
Die Entfaltung der Sinne bei der Begegnung mit Bäumen im Park des Hauses mit Diplom-Forstwirt
Von Wilhelm Knabe, Dipl. Forstwirt, Langjährige Lehr- und Forschungstätigkeit zu ökologischen Themen
„Weniger = Mehr?“
Impulse zu einem kulturellen Fortschrittsgedanken.
Von Peter Siller, Geschäftsführer des Exzellenzclusters „Formation of Normative Orders“ an der Goethe-Universität in Frankfurt/Main, Mitherausgeber der Zeitschrift „polar“.
& Stefan Huster, Professor für Öffentliches Recht an der Ruhr-Universität Bochum. Redakteur der Zeitschrift "polar".
"Jenes ominöse Etwas, das man Wachstum nennt."
Vortrag mit Texten von Heinrich Böll zum Thema Wachstum
Von Markus Schäfer, Germanist und Bibliothekswissenschaftler für die Heinrich-Böll-Stiftung zum Werk Heinrich Bölls
Präsentation
Politik an den Grenzen des Wachstums: Warum weniger nicht schlechter bedeuten muss, aber kaum einer sich traut, das zu sagen.
Vorraussetzung für Politikbefähigung in Land und Städten.
Von Dr. Reinhard Loske, Bremer Senator, ehem. Projektleiter im Wuppertal Institut
Vom Wissen zum Handeln, zwischen normativen Anforderungen und globalen Regelwerken?
Neue Bewegung-en nach Kopenhagen.
Von Barbara Unmüßig, Vorstandsmitglied der Heinrich-Böll-Stiftung.
Die vollständige Tagungsdokumentation (pdf-Format) bietet Ihnen eine ausführliche Übersicht übe die Vorträge und Diskussionen während der Sommerakademie 2010.