Demonstration vor der Ostermesse - Was hat ’68 aus Paderborn gemacht?

Veranstaltungsbericht

Ein Abend rund um die '68er-Erinnerungen: Von Bob Dylan über den "Galerie Club" bis hin Zeitzeugengeschichten. 

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68 in Paderborn – war da was? Die 20. Veranstaltung des Grünen Salons stellte die Frage nach der Bedeutung der lokalen Protestbewegung und versuchte eine multidimensionale Antwort zu geben. Der Einstieg erfolgte musikalisch: Klaus Schüssler ließ Songs anklingen von Heintje bis zu den Rolling Stones, dann Bob Dylan und schließlich den heimischen Alternativhit: ‚Schwarze Ratten Paderborn bringen die Kultur nach vorn‘.

Dann skizzierte Prof. Peter Fäßler (Uni Paderborn) analytisch das zeitgeschichtliche Interesse an Prozessen außerhalb der gut dokumentierten Ereignisse in den Metropolen Paris, Frankfurt oder Berlin, um die Asymmetrie der bisherigen Untersuchungen und Bewertungen der 68er Bewegung zu korrigieren; denn gerade der Blick auf eine Stadt wie Paderborn verspricht Auskunft über die provokative Wirkung auf verkrustete Verhältnisse, über die Reichweite und Durchdringungstiefe jener Protestbewegung.

Im Anschluss an das Statement wurden Informationen und Stimmungen zu Paderborner Ereignissen durch den Vortrag schriftlicher Quellen eingespielt, wie z. B. die Kostprobe aus der empörten Berichterstattung über einen Demonstrationszug von ‚undisziplinierten‘ Studierenden, die sogar den Autoverkehr störten. Und schließlich kamen Zeitzeugen zu Wort, die das herrschende geistige Klima anschaulich in Erinnerung rufen konnten: So musste in einer theologisch gut sortierten Buchhandlung, erzählte Günter Bitterberg, ein religionskritisches Buch von Dorothee Sölle „Atheistisch an Gott glauben“ aus dem Giftschrank geholt werden. Außerdem wurde der Leser vor der Lektüre gewarnt. Noch schwieriger war es Präservative zu erwerben. Insbesondere erinnerten die Zeitzeugen an Initiativen und Aktionen wie die spontane Demonstration nach dem Attentat auf Dutschke am Ostersonntag 1968 vor dem Dom.

Während vor der Ostermesse nur einige wenige mit selbstgebastelten Transparenten demonstrierten, versammelten sich zu einer Podiumsdiskussion in der PH ungefähr 1.000 Teilnehmer, was die verbreitete Unzufriedenheit mit der Studiensituation und die Begeisterung für diese neue Kommunikationsform zeigt. Diese Veranstaltung wurde ein herausragendes Ereignis der Bewusstseinsveränderung in diesem Jahr, weil sich die Kritik nicht auf die Bildungspolitik beschränkte, sondern auf Politik und Gesellschaft insgesamt zielte.

Als eine weitere nicht zu unterschätzende neue Kommunikationsmöglichkeit ist der von Heinrich Röper initiierte ‚Galerie Club‘ hervorzuheben, ein Forum für Kunst, Kultur und Politik, das zu einem anregenden Veranstaltungs- und Diskussionsort wurde, wie es ihn davor in Paderborn nicht gab. Auch Einrichtungen, die bis heute existieren, wie der von Eltern selbst organisierte Kindergarten, entstanden damals getragen vom antiautoritären sozialen und pädagogischen Engagement.

Erinnert wurde schließlich von den zahlreichen Teilnehmern der Veranstaltung im Café Röhren an die Vielfalt der Aktivitäten jenes bewegten Jahres, so wurden die ersten Flugblätter geschrieben und verteilt, es gab einen Lehrlingsstreik, eine diskussionsfreudige Zeitschrift (‚Vakuum‘) wurde gegründet – es begann Vieles, das uns heute selbstverständlich erscheint.