Zukunftsmut: gegen Angst und Krisen

Veranstaltungsbericht

Wie kann politische Bildung Menschen helfen, mit Unsicherheit und Krisen besser umzugehen? Wie können wir die demokratische Resilienz stärken und das Verständnis für transformative Prozesse fördern? Die Tagung "Zukunftsmut: gegen Angst und Krisen" nahm in den Fokus, wie wichtig es ist, in der politischen Bildung nicht nur rationale Lösungen zu bieten, sondern auch emotionale und soziale Kompetenzen zu vermitteln, um zukunftsfähige Handlungsansätze zu entwickeln.

Lesedauer: 4 Minuten
Mann geht neben einer bunten Graffiti-Wand entlang, auf der das Wort Courage geschrieben steht

In Kooperation mit der Heinrich Böll Stiftung NRW, der DVPB NRW und der AG 9 „Didaktik der Sozialwissenschaften“ der Universität Bielefeld fand am 27. September 2024 die Tagung zum Thema „Doing Future together – Zukunftsmut: gegen Angst & Krisen“ statt. Das Thema „Zukunft“ ist kein neuer Inhalt in der politischen Bildung. Er wurde in den letzten dreißig Jahren aber vernachlässigt und wenn er aufgegriffen worden ist, dann erfolgte die Auseinandersetzung oft aus einer rational-technischen Kultur des Zukunftsdenkens, so Susanne Waldow-Meier (FU Berlin) in ihrem Eröffnungsvortrag. Die multiplen Transformationsprozesse und hiermit einhergehende Krisen rufen bei vielen Menschen Zukunftsangst hervor. In der Rheingold-Studie 2023 äußerten 59% der Befragten, dass sie sich von der gegenwärtigen Krisenlage überfordert fühlen. Zu beobachten ist ein Rückzug ins Private (68% der Befragten), eng verbunden mit einer zunehmenden Distanzierung von der Demokratie bis hin zur rechtsextremen Radikalisierung.

Um die demokratische Resilienz der Bürger:innen und der Gesellschaft zu stärken, muss politische Bildung in Zukunft intensiver die sozio-emotionalen „inner dimensions“ der Krisenauseinandersetzung erforschen und in Bildungsprozessen thematisieren, damit nicht nur Symptome der Krisen behandelt, sondern die Menschen zu befähigen, die Krisen und menschliche Motive besser zu verstehen. Dafür gilt es Menschen zu befähigen, die Phasen der Bewältigung, des lernenden Umgangs mit destabilisierenden Ereignissen besser zu verstehen, diese reflektieren und gestalten zu können. 
Transformationsprozesse, sozialer Wandel sind per se nicht schlecht, sondern bergen nimmer auch Chancen, z. B. für Innovationen oder auch die Besinnung auf das, was wirklich wichtig im Leben ist.

Wie diese Herausforderung in der schulischen und außerschulischen politischen Bildung in der Praxis aufgegriffen werden kann, war Gegenstand in den nachmittäglichen Workshops. 

Im Workshop „Extrem Einsam? - Mit Krisenresilienz die Demokratie stärken“, der von Melanie Weiser (Das Progressive Zentrum) durchgeführt wurde, erfolgte ausgehend von der Studie „Extrem Einsam“ eine didaktische Auseinandersetzung mit den Zukunftsängsten junger Menschen. Diese fühlen sich von der Politik und Gesellschaft häufig alleine gelassen, was vielfach zu einer physischen oder psychischen Vereinsamung führt. Im Gepäck hatte die Referentin den „Methodenkoffer gegen Einsamkeit“, aus dem ausgewählte Lernarrangements erprobt wurden.

Aufgrund der Erkrankung eines Referenten hat kurzentschlossen Prof. Dr. Bettina Zurstrassen (Universität Bielefeld) einen Workshop zum Thema „Die Rolle der politischen Bildner:innen in Zeiten wachsenden Rechtsextremismus und gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit“ aufgenommen. Im Zentrum dieses Workshops stand die Frage, wie politische Bildner:innen persönlich und professionell mit gesellschaftlich hoch konflikthaften Fragestellungen in politischen Bildungsprozessen umgehen können. Es erfolgte eine Auseinandersetzung mit Angstregimen bei Lehrkräften und Strategien des Umgangs mit diesen. Angstregime bei politischen Bildner:innen, insbesondere bei Lehrkräften gelten als Tabuthema, die der individuellen-professionellen Entwicklung, aber auch der Institution Schule und anderen Organisationen entgegenwirken.

Im Mittelpunkt des Workshops „Umgang mit Unsicherheit lernen“ von Susanne Waldow-Meier stand die Auseinandersetzung mit Lernmaterialien für die Sekundarstufe I, die z. B. Dilemmata in Bezug auf die (nicht) nachhaltige Entwicklung im Biodiversitätskontext beinhalten. Ziel ist es, mithilfe des Materials Räume zu eröffnen, in welchen der Umgang mit Komplexität und Unsicherheit (zur Lage der Welt) geübt werden kann, in welcher Kognitio (Wissen) und Emotionen zur Zukunft verschränkt werden. Dabei geht es nicht um Handlungsanweisungen zu besseren Footprints, sondern um dialogische und sozio-emotionale Kompetenzen und transformatives Lernen. 

Wie hoch der Bedarf politischer Bildner:innen nach Fortbildungen zur Thematik ist, wurde von den gut vierzig Teilnehmer:innen aus unterschiedlichen Feldern der politischen Bildung in der abschließenden Reflexionsrunde geäußert: „Diese Tagung hat mir Zukunftsmut gemacht“, so die Rückmeldung mehrerer Teilnehmer:innen.

Professorin Dr. Bettina Zurstrassen (Professur für Didaktik der Sozialwissenschaften der Universität Bielefeld)