Hochgeschätzte Gäste, Liebe Freundinnen und Freunde der Heinrich Böll Stiftung NRW,
nach den geistigen Genüssen folgen gleich die leiblichen und hochgeistigen Genüsse, dazwischen stehe nur ich, deswegen halte ich mich auch wirklich besonders kurz.
Ich habe heute die große Freude und Ehre den Garten-Kultur-Verein(t) Sieker e.V als Gewinner des Heinrichs für 2017 und 2018 zu würdigen. „Der Heinrich“ ist der Preis der Heinrich Böll Stiftung Nordrhein-Westfalen für innovative Projekte um für „beachtlich Geleistetes“ Aufmerksamkeit zu schaffen.
Ganz anti-neoliberal ist mit dem Preis kein Preisgeld verbunden und es werden keine einzelnen Persönlichkeiten ausgezeichnet, sondern immer die gesamte Organisation und die unterstützenden Aktiven.
Das Heinrich „Preis-Objekt“ ist übrigens immer eine echte Gießkanne in ein Kunstwerk gefügt. Aber dieses Jahr gerade für einen Garten-Kulturverein vielleicht besonders passend. Der bedeutendste Beuys-Schüler in NRW, Felix Droese, hat sich viel dabei gedacht. Wir hoffen also im Geiste des Künstlers und auch Heinrich Bölls, dass sich Ihre Ideen über unser Land ergießen und besonders, dass es viele zur Nachahmung anregt.
Neben der Aufmerksamkeit bietet die Heinrich Böll Stiftung NRW natürlich ein fantastisches Netzwerk. Viele dieser spannenden Persönlichkeiten sitzen heute hier in diesem Raum und so möchte ich besonders dafür werben, sich schon gleich persönlich mit unserem Gewinner auszutauschen.
In der Jury hatten wir dieses Jahr besonders viele Vorschläge und waren immer wieder überrascht welche tollen Ideen und Projekte in der Mitte oder gerade dem Rand der Gesellschaft entstehen, um konkrete Probleme und Herausforderungen anzugehen. Gründe für den Garten-Kultur-Verein(t) Sieker e.V. hat die Jury sehr sehr viele gefunden. Und zu Bölls 100. Geburtstag bietet es sich natürlich auch an, alle 100 aufzuzählen. Heute in Köln nehmen wir aber die 11 wichtigsten:
1. Mut: Die Idee zu den neuen Gärten für Sieker ist im Rahmen der Umsetzung des Integrierten Stadtteilentwicklungsprojektes Bielefeld 2010 entstanden. Sie als Bewohner*innen der Großsiedlung hatten selber die Idee, im Rahmen des neuen „Sieker Parks“ auf den ehemaligen Brachflächen zu gärtnern und sie haben sie auch realisiert.
2. Einsatz: Den neu entstehenden Park als „eigene“, nachbarschaftlich und gemeinschaftlich zu nutzende Fläche zu erschließen und zu verankern war der Ausgangspunkt der Bewohner*innen.
3. Integration: In Sieker gab es eine Quote von über 60 Prozent Bevölkerung mit einem Migrationsanteil. Die Garteninteressent*innen sind überwiegend Migrant*innen aus unterschiedlichen Herkunftsländern und Kulturkreisen.
4. Gleichberechtigung: Die Initiative ging vor allem von einigen Frauen aus den örtlichen Kindergärten und einem örtlichen Stadtteiltreff aus. Das Interesse war sofort riesengroß. Per Losverfahren wurden die Gartenparzellen unter 90 Interessent*innen vergeben.
5. Diversität: Sie ziehen heute mit 40 Familien generationsübergreifend auf 40 Parzellen Gemüse …und das mindestens fünfsprachig!
6. Verbesserung des Lebensgefühls: Sie haben das Wohnumfeld durch diese Zusammenarbeit und bewirtschaftete Grünfläche stark verbessert, die Nachbarschaft ist mehr zusammengewachsen. Die teilweise Eigenversorgung mit Obst und Gemüse ermöglicht Stolz und positive Identifition mit dem eigenen Quartier.
7. Stärkung der Nachhaltigkeit: Sie tragen bei zu einer regenerativen Stadt mit einer neuen Nähe zur Natur.
8. Insektenschutz: Die Masse der Insekten ist um 75% zurückgegangen. Ihr Urban Gardening Projekt leistet auch einen Beitrag gegen Insektensterben.
9. Gesundheit: Sie stärken das Interesse an gesunder Ernährung und Nahrungsmittelproduktion sowie das Bewusstsein für deren Herkunft & Anbau.
10. Ästhetik: Die Sieker Gärten haben einen beachtlichen Verschönerungseffekt, verbessern das Mikroklima und laden in einer immer schnelleren immer digitaleren Welt zum Innehalten und Verweilen ein.
11. Partizipation: Seit 2015 arbeiten die Vereinsmitglieder auf ihren Gartenparzellen zusammen. Das zarte Grün der Teilhabe gedeiht und die Wertschätzung von gelebter Demokratie nimmt zu. Städtisches Gärtnern ist cool und für jüngere Leute oftmals ein erster Einstieg in politisches Engagement.
Dafür werden Sie geehrt. Machen Sie weiter so und mit tosendem Applaus bitte ich die Vertreterin und Vertreter der Sieker Gärten auf die Bühne.