Man konnte ihn sich nahezu bildlich vorstellen an diesem Abend, wie er zigaretterauchend an seinem Schreibtisch saß und seine Überlegungen zu Papier brachte. Der Mann, der sich neben seinem literarischen Schaffen durch das Erfassen und Erklären seiner Umwelt einen Namen machte, wurde beim 20. Böll-Forum im Literaturhaus Köln zurück in die Gegenwart geholt. Der Freitagabend stand ganz im Sinne einer Hommage an den Namensgeber der Heinrich Böll Stiftung NRW. Das Thema: Die Ästhetik des Humanen. Die Gäste: Christel Neudeck, Mitgründerin von Cap Anamur, Tanja Dückers, Schriftstellerin und Journalistin und Markus Schäfer, Archivar und Böll-Biograph, sowie Michael Serrer, Literaturhaus Köln, der durch den Abend führte. Wer einen trockenen, literaturhistorischen Vortrag erwartete, bei dem ab und an das Mikrofon weitergereicht wird, wurde enttäuscht. Bereits ab der ersten Minute wurden die Besucher*innen auf eine Zeitreise mitgenommen.
Dieser externe Inhalt erfordert Ihre Zustimmung. Bitte beachten Sie unsere Datenschutzerklärung.
Open external content on original siteSo führte Markus Schäfer zunächst in die Gedankenwelt Bölls ein: "Ästhetik meint hier nicht die Lehre von der wahrnehmbaren Schönheit in Kunst und Literatur, sondern vielmehr die ursprüngliche Bedeutung der eigentlichen Wahrnehmung." Untermalt mit Videoaufnahmen und Fotos von Bölls Notizen, erläuterte er weiterhin auch Bölls Verständnis von Humanität: "Das Alltägliche, das sind die Elemente des Humanen. Die Aufgabe der Literatur war es für Böll, diesem Alltag Bedeutung zu geben." Dass es Heinrich Böll besonders in seinen Kurzgeschichten gelang, den Alltag und seine Sitautionen auf typische Weise darzustellen, zeigte Tanja Dückers. Sie las die Geschichte "An der Brücke" (1949) und schaffte es, jede*n Einzelne*n an der Erzählung teilhaben zu lassen. Ihre Verbindung zum Schriftsteller macht sich schon in ihrer Jugend sichtbar: "Böll fasziniert mich als Fernrohr in die Vergangenheit, natürlich als Zeitzeuge, aber auch als herausragender literarischer Architekt." Neben dem literarischen Porträt machte besonders auch Christel Neudeck deutlich, dass Heinrich Böll weit mehr als seine Rolle als Autor war. Sie beschrieb ihre Zusammenarbeit mit ihm: "Wenn das Wort authentisch etwas bedeutet, dann war Heinrich Böll das. Er hatte etwas an sich, dass man ihm unbedingt vertraute." Und auch wenn Böll in diesem Jahr seinen bereits hundertsten Geburtstag gefeiert hätte - an Aktualität verlieren seine Gedanken zur Ästhetik des Humanen, zur Wahrnehmung der einfachen Dinge des Alltags, bis heute nicht.