Kommentar: Anregungen für eine souveräne Online-Kommunikation

Lesedauer: 7 Minuten

Soziale Medien besser nutzen

Digitale Phänomene haben massiven Einfluss auf unser privates und berufliches Leben genommen. Die Kommunikation kennt online kaum noch Grenzen. Eine Internetverbindung reicht, um über Soziale Medien zu jeder Tageszeit und von jedem Ort ein Publikum zu erreichen. Diese kommunikative Freiheit eröffnet politischen Akteuren zunehmend Möglichkeiten, die eigene Arbeit und Ziele darzustellen. Aber sie birgt auch Gefahren. Um beides soll es in diesem Beitrag gehen. Vor allem aber soll er dazu ermuntern, durch eigene Initiative selbst Themen zu setzen und Soziale Medien dafür optimal zu nutzen.

Erst die Arbeit, dann der Kommentar

Viele Akteure in Sozialen Medien sind Getriebene, weil sie das Gefühl haben, ständig reagieren zu müssen. Von außen wirkt das unsouverän, bisweilen sogar konfus. Die Betreffenden erhaschen dadurch flüchtige Aufmerksamkeit, aber nur die Wenigsten erzielen eine nachhaltige Wirkung. Im Gegenteil: Eine Dauerberieselung mit Schnell-Schüssen schmälert die Strahlkraft der wenigen wichtigen Botschaften. Gerade bei ehrenamtlich Engagierten, die kein Team hinter sich haben, frisst ständiges Reagieren im Netz viel Zeit, die besser in eigene Projekte investiert werden kann. Die Lösung ist: Tue Gutes und rede darüber, aber genau in dieser Reihenfolge. 

Ein Praxis-Beispiel: Wer den Zustand der Regional-Bahnhöfe kritisieren und verbessern will, sollte den Ist-Zustand untersuchen, um daraus Forderungen abzuleiten und zu begründen. Das heißt, Bahnhöfe müssen besucht, fotografiert und in Fragebögen analysiert werden. In Eigeninitiative entsteht so ein spannender »Bahnhof-Check«. Material und Ergebnis eignen sich hervorragend für die Online-Kommunikation. Wer die Botschaft mit Bildmaterial und Grafiken verbreitet, erfährt mehr Beachtung. Besonders, wenn sachliche Inhalte durch Persönliches lebendig werden: »Ich friere hier jeden Morgen auf diesem Bahnsteig, weil es kein Wartehäuschen gibt.«

Wenig Beachtung dagegen erfährt, wer nur auf Debatten aufspringt, Gedanken anderer teilt oder vorhersehbare Kritik äußert. In der realen wie in der virtuellen Welt  entsteht dadurch kein Nachrichtenwert. Deshalb ist es hilfreich, sich in regelmäßigen Abständen diese Fragen zu stellen: 

  • Muss ich wirklich über jedes Stöckchen springen? 
  • Welche Debatten habe ich selbst durch meine Arbeit (positiv) angestoßen? 
  • Wie kann ich aus meiner Arbeit Nachrichten generieren? 

Klare Sprache

Politik lebt von Kommunikation. Deshalb müssen politisch Engagierte bei ihren Äußerungen auf allen Kanälen hohe Maßstäbe an die Sprache anlegen. Besonders, wenn die gesellschaftspolitische Lage unübersichtlich ist oder ein Vorhaben durchgesetzt werden soll, muss die Linie mit klaren Worten erklärt werden. Schlecht sind verschwurbelte Aussagen, deren Sinn nur mit dem Wissen um die Hintergründe verstanden werden kann. Für die Kommunikation in Sozialen Medien ist es besonders wichtig, in kurzen Sätzen und mit prägnanten Worten zu sprechen und zu schreiben. Da die Aufmerksamkeit der Nutzer maximal zwei bis drei Minuten beträgt, dürfen Beiträge nicht länger sein, damit sie auch angeklickt und angesehen werden. 

Klare Sprache ist keine Kunst, sondern ein Handwerk. Alle, die Politik erfolgreich kommunizieren wollen, sind gefordert, sich um gute und verständliche Beiträge, Kommentare und Tweets zu bemühen. Manche mag es verwundern, aber einen guten Tweet mit maximal 120 Zeichen zu formulieren kann mehr Zeit in Anspruch nehmen als ein Blog-Beitrag. Schreiben ist Arbeit. Es gilt, was der Philosoph Karl Popper forderte: »Wer es nicht einfach und klar sagen kann, der soll schweigen und weiterarbeiten, bis er es klar sagen kann.«

Wer sich nicht die Mühe macht, kann mit unüberlegten und unverständlichen Statements weitreichende Folgen auslösen. So entstehen Fehler, die kaum mehr korrigiert werden können und Debatten über Absurditäten. Das weltweite Netz vergisst nichts. Jede Äußerung zahlt auf das Konto der Glaubwürdigkeit einer Organisation ein. 

Lebendige Sprache und Emotionen

Sprache, die Bilder verwendet, ist lebendig. Wenn Martin Schulz zum Beispiel über Trumps »Muslim Ban« sagt: »Trump läuft mit der Abrissbirne durch unsere Grundwerteordnung«, ist das ein starkes Bild. Auch die Forderung »Moderne Sklaverei in Fleischfabriken muss beendet werden« erzeugt Bilder in den Köpfen. Lebendig wird Sprache durch starke Verben, vor allem solche, die Bewegungen ausdrücken. Es ist deshalb besser zu schreiben: »Wir treiben den Ausbau der neuen Bahnlinie voran«, statt: »Wir setzen uns für die neue Bahnlinie ein.«

Emotionen führen dazu, dass unsere Kommunikation sinnlich erfahrbar wird. Eine Facebook-Studie belegt, dass sich Emotionen auch in Online-Netzwerken ausbreiten – auch ohne persönlichen Kontakt. Konkret heißt das: Wer mehr positive Postings zu sehen bekommt, postet selbst mehr Positives. Wer mehr negative Postings sieht, postet selbst mehr Negatives. Für eigene Veröffentlichungen leitet sich daraus ab, dass positive Kommunikation zwei Vorteile hat: Sie erzeugt positive Gefühle bei den Nutzern und führt zu mehr positiven Reaktionen in den Kommentaren und in Form von Likes. 

Strategie und gute Vorbereitung

Um komplexe Sachverhalte in schnellen Medien zu kommunizieren, braucht es  Erklär-Formate, die mittels visueller Kommunikation durch Grafiken, Sharepics, Videos oder Slideshows Inhalte und Hintergründe darstellen. Ein gutes Beispiel sind die »OppoVision«-Videos, die politische Entscheidungen alltagsnah und praktisch vermitteln.

Durch rechtzeitige Planung lässt sich in Ruhe substanzielles Material produzieren. 
Gemeint sind Ereignisse, die vorhersehbar sind, etwa die Vorstellung einer Bilanz, eine Gesetzesinitiative oder ein selbst erstelltes Ranking. Deren Kommunikation sollte nicht dem Zufall oder den Nachfragen einer interessierten Öffentlichkeit überlassen werden, sie benötigen eine Strategie und sollten Teil der Erzählung und damit Teil einer Gesamtstrategie sein. Dazu zählen eine Botschaft, gute Argumente, die Recherche von Hintergrund-Wissen und die Umsetzung in geeignete Formate. Beim Formulieren der Botschaft hilft die Überlegung, welche Schlagzeile nach der Veröffentlichung über die Aktion zu lesen sein soll: Was ist das Ziel? Wenn das Kommunikationsziel ist, dass XY die Energiewende vorantreibt, kann die Schlagzeile sein: »Durch XY fünf Mal mehr Wind-Energie«. Zahlen, die dies belegen, müssen vorher gezielt in Tabellen und Grafiken aufbereitet werden.

Die richtige Strategie und gute Vorbereitung machen den Erfolg planbar.  Unerwünschte Folgen können durch vorausschauende Planung und das Mitdenken von Stolpersteinen weitestgehend vermieden werden. 

Substanz vor Schnelligkeit

Um Shitstorms zu vermeiden, müssen Flüchtigkeitsfehler vermieden werden. Dazu zählen voreilige Kommentare, peinliche Videos, Inhalte, die ungeprüft veröffentlicht werden oder blauäugiges Weiterverbreiten so genannter Fake News. Das Gesetz, dass der Schnellste am meisten Gehör findet, muss hinter dem Recht auf überprüfte Fakten und sichere Einordnung zurückstehen. Vor jedem Posting und jeder geteilten Meinung stehen diese Fragen: 

  • Habe ich für meine Kommentierung alle Fakten bedacht? 
  • Ist die Beweislage ausreichend? 
  • Sind die Quellen seriös und die Inhalte korrekt? 
  • Kann ich mit meinem Kommentar zur Versachlichung und/oder zur positiven Emotionalisierung der Debatte beitragen? 

Wer unsicher ist, holt sich lieber schnell eine zweite Meinung bei Kollegen oder Freunden ein und prüft die Ursprungs-Quellen. 

Genauso wichtig wie die Qualität des Inhalts ist die technische Umsetzung. Veröffentlichte Beiträge müssen eine gute Bild- und Ton-Qualität haben, Elemente wie Grafiken müssen stimmig umgesetzt werden. 

Regeln

Wenn man das Internet als einen Raum begreift, dann wird darin nicht in allen Ecken die Menschenwürde gewahrt. Es gibt jedoch Regeln für die Kommunikation, und jede Organisation kann selbst eine Netiquette aufstellen. Wer Diskussionen beendet oder Kommentare löscht, sollte je nach Situation eine Begründung liefern. Transparenz schafft Akzeptanz. Im Zweifelsfall reicht zur Begründung ein Verweis auf die Netiquette. 

Wenn eine Diskussion eskaliert, sollte sie nicht durch Affekt-Reaktionen weitergetrieben werden. Wie bei der klassischen Krisenkommunikation gilt: Ruhe bewahren, Fakten sammeln und eine Strategie überlegen. Wer sofort reagieren will, kann sich zunächst auf Fakten berufen, um die Debatte zu versachlichen und Zeit zu gewinnen. Zum Deeskalieren führt im Zweifelsfall auch das Nicht-Reagieren (»Don’t feed the troll«). Niemand kann gegen einen Shitstorm argumentieren. Dadurch wird er in der Regel nur größer.

Wenn es angemessen ist, kann eine Debatte auch mit Humor beendet werden. 
Für alle Fälle gilt: weniger negative Erregung, mehr positive Erregung und Substanz. 

Vertrauen zurückgewinnen

Wer bereits die Wucht einer digitalen Debatte gegen sich selbst erlebt hat, muss verloren gegangenes Vertrauen mühsam wieder aufbauen. Das Netz vergisst nichts, aber die Flucht in die eigene Arbeit kann helfen, neue, gute Akzente zu setzen. Nicht zuletzt bietet das Web 2.0  die große Chance, die eigene Arbeit auf vielfältigen Wegen zu erklären, Transparenz zu schaffen und sich persönlich bekannt zu machen. Die meisten Menschen wissen zu wenig über die Arbeit von politischen Akteuren. Das zu ändern ist ein Auftrag an alle, die Politik kommunizieren.